Seit wir von Schweden aus segeln, fuhren wir jährlich zweimal vorbei. Doch diesmal ist ein Aufenthalt geplant, und dieser ist für Architektur- und Kunstinteressierte ein absolutes Muss. Die Rede ist vom Bauhausgebäude in Dessau. Dieser richtungsweisende, ikonische Bau von Walter Gropius markiert den Beginn der klassischen Moderne in der Architektur im frühen 20. Jahhundert.
Auch die Pädagogik der Hochschule war neuartig. Architektur, Kunst und Produktgestaltung waren am Bauhaus mit der Technik verbunden und hatten die Neugestaltung und Modernisierung der gesamten Lebenswelt zum Ziel. Tradition war gestern, Experiment und Forschung bestimmten die Lehre, Ateliers und Werkstätten wurden auch als Laboratorien verstanden.

Das Bauhaus kam aus politischen Gründen von Weimar nach Anhalt, wo es in der Industriestadt Dessau noch gute Bedingungen vorfand, der liberale Bürgermeister Fritz Hesse stellte ein Grundstück und Geld für den Neubau des Gebäudes der Hochschule für Gestaltung und der Meisterhäuser zur Verfügung. Walter Gropius wurde mit der Ausführung beauftragt, die Planung erfolgte in seinem privaten Büro.

Das Bauhausgebäude wurde im September 1925 begonnen und nach sehr kurzer Bauzeit schon im Dezember 1926 eingeweiht. Es entstand auf einem freien Areal entlang einer Allee, heute Gropiusallee. Das Grundstück war durch eine Straße geteilt.
Das zuerst allein auf der grünen Wiese stehende Gebäude hat absolut fantastisch ausgesehen, wie historische Aufnahmen zeigen. Auch heute wirkt es auf den Betrachter frappierend modern, besonders wenn man seine Entstehungszeit vor fast 100 Jahren in Betracht zieht. Man muss die Bauten unbedingt umrunden und von allen Richtungen betrachten.
Ab 1936 wurde das Umfeld des Bauhauses, bis auf den Platz gegenüber, im Stil der damaligen Machthaber bebaut, das ist heute noch klar zu sehen.

Der markanteste Teil des Komplexes ist sicherlich der Werkstättentrakt mit der vorgehängten Glasfassade. Die zarten Fensterprofile aus Stahl trugen relativ kleine Scheiben aus Kristallglas, die zusätzlich geschliffen wurden, um höchste Transparenz bei minimaler Welligkeit zu erreichen. Im Frühjahr 1945 wurde diese Fassade durch Brandbomben zerstört. Die Rekonstruktion von 1976 aus Aluminium kommt dem Original aber sehr nahe.

Keine tragenden Stahlbetonteile stören die Glasfläche oder die Ecken, sodass der Eindruck eines Glaskubus entsteht. Dieser ganze, gläserne Baukörper springt oberhalb des grauen Sockelgeschoßes optisch eindrucksvoll vor. Im ersten Geschoß besteht eine niedrige Mauer, welche diesen nach unten begrenzt und die Horizontale als weißes Band stark betont.

In diesem Gebäude fand der berühmte Grundkurs statt und in den großen Hallen waren die Werkstätten für Tischlerei, Metall, Weberei, Wandmalerei und eine Schmiede untergebracht. Im Sockelgeschoß befanden sich unter anderem die Haustechnik, Gymnastik- und Sanitärräume, eine Druckerei, eine Bildhauerei und die Färberei.

Die tragenden Stahlbetonelemente und Decken waren ursprünglich nicht mit der Glasfassade verbunden und dadurch von außen nahezu unsichtbar. Die Luft konnte dadurch entlang der Fenster durch die Stockwerke zirkulieren. Klimatechnisch war die Glasfassade problematisch, der Energiebedarf für das Heizen war enorm. Die in den hier in Dessau ansässigen Junkerswerken gegossenen Heizkörper, stehen entlang der Fenster. Querlüftung sollte im Sommer Kühlung bringen, weiße Vorhänge die Aufheizung des Innenraums vermindern.

Man betritt den Bau über einige Stufen und gelangt über das Stiegenhaus ins Vestibül. Gegenüber des Stiegenhauses sind jeweils große Panoramafenster. Von hier kommt man linker Hand zur sogenannten Festebene. Diese befindet sich in einem Flachbau, der den Werkstättentrakt mit dem östlich gelegenen Atelierhaus verbindet. Hier finden sich Aula, Bühne und Kantine. Die Küche befindet sich im Erdgeschoß des Atelierhauses.

Bauhausgebäude
Blick in den Gang der Brücke und Stiegenhaus

Das Atelierhaus ist mit sechs Stockwerken das höchste der Gebäude. In den oberen vier Ebenen befanden sich die bei Studierenden, aber auch Jungmeistern sehr begehrten Wohnateliers. Die ostseitige Fassade ist von den vielen, kleinen Balkonen geprägt. Über die kleine Teeküche am Ende des Gangs erreicht man einen großen Gemeinschaftsbalkon, der auch auf die Westseite führt. Das Ateliergebäude hat außerdem eine Dachterrasse. Gemeinschaftliches Wohnen der Studierenden war, wie alles andere, an dieser Hochschule damals völlig neuartig.

Diese Wohnateliers kann man heute mieten und hier stilvoll übernachten. In je eines der westseitiges Ateliers eines jeden Stocks wurden Duschen eingebaut. Es ist etwas ganz Besonders, hier Gast zu sein. Uns hat es sehr gut gefallen.

Mit dem Trakt für die Technischen Lehranstalten auf der nördlichen Seite der Straße ist das Werkstättengebäude durch eine doppelstöckige Brücke verbunden. Die langgestreckten, waagrechten Fensterbänder sind auch hier nicht durch tragende Elemente unterbrochen. Im unteren Stock war unter anderem das Sekretariat und das Direktorenzimmer und die Buchhaltung untergebracht, im oberen Stock Ateliers, die von beiden Seiten ihr Licht erhielten.

Im Gang der Brücke
Blick von der Brücke auf das Werkstättengebäude

Außer dem rauen, grauen Putz an Sockelgeschoß und Südstiegenhaus sind alle Mauern außen glatt und weiß. Im Innern wurde nach einem durchdachten Farbplan gefärbelt. Auffällig sind die auf Putz verlegten elektrischen Leitungen und Wasserleitungen der Heizung sowie die innen liegenden Fallrohre für das Regenwasser des Flachdachs. Die Decken in den Hallen zeigen eine rohe Struktur.

Stiegenhaus im Bau der Technischen Lehranstalten, Blick in die Brücke
Im Werkstättengebäude

Die Türdrücker sind ein Entwurf von Gropius. Für die Ausgestaltung der Räumlichkeiten waren die Tischlerei, Malerei und Metallwerkstatt sowie die Weberei verantwortlich, auch die Beleuchtungskörper und das Mobiliar wurde am Bauhaus entworfen. Die Experimentierfreudigkeit der Bauhäusler kommt auch in neuartigen Bodenbelägen, Isoliermaterialien und im schwarzen Terrazzo zum Ausdruck.

Die Nutzungsgeschichte dieses Baus war sehr wechselvoll. Nur kurze sechs Jahre lang diente das Gebäude seinem eigentlichen Zweck als Hochschule. 1932 beantragte die NSDAP den Abbruch, der glücklicherweise vom Gemeinderat abgelehnt wurde. Im Herbst dieses Jahres konnte diese Partei die Einstellung des Hochschulbetriebs am Bauhaus bewirken.

Zur Zeit unseres Besuchs waren Teile der Gebäude eingerüstet, das Bauhaus wird auf die Feierlichkeiten zu seinem 100. Geburtstag im Jahr 2026 vorbereitet. 1996 wurde das Bauhaus in die Liste des UNESCO Welterbes aufgenommen. Als Institution steht das Bauhaus nicht nur für hervorragende Architektur, sondern hat die Entwicklung der Moderne im 20. Jahrhundert in vielen Aspekten stark geprägt. In der Zeit zwischen 1919 und 1933 kamen vom Bauhaus wesentliche Impulse für ein neues Denken in Architektur und Kunst.

Das Werkstättengebäude vom Ateliergebäude aus gesehen

Die Stadt Dessau beauftragte das Architekturbüro Gropius 1925 auch mit dem Bau der Meisterhäuser. Darin wohnten die Meister bei der Stadt zur Miete. Diese drei baugleichen Doppelhäuser mit spiegelbildlich gedrehten Grundrissen und ein Einzelhaus für den Direktor entstanden in einem kleinen Kieferwäldchen. Die Gestalt der Häuser war durch die Lebensvorgänge und Funktionen der Räume bestimmt, kubisch und streng im Ausdruck. Die Innengestaltung erfolgte durch die Bauhauswerkstätten. Das Mobiliar war individuell, Gropius und Moholy-Nagy waren mit Möbeln von Marcel Breuer neu eingerichtet.

In Dessau existieren weitere Bauhausbauten wie das Gebäude des Konsumvereins oder die Laubenganghäuser. Bei der Errichtung der 314 Häuser der Siedlung Dessau-Törten wurden bautechnische Rationalisierungsmaßnahmen und die Neuorganisation einer Baustelle erprobt. Elemente wie Schlackenbetonsteine und Rapidbalken wurden an Ort und Stelle erzeugt und in kurzer Bauzeit verarbeitet. Näheres darüber erfährt der interessierte Besucher in der Ausstellung „Archäologie der Moderne“ im Sockelgeschoss des Werkstättengebäudes.

Literatur
Das Bauhausgebäude in Dessau, Spector Books, ISBN 978-3-95905-126-2
Die Bauhausbauten in Dessau, Stiftung Bauhaus Dessau, ISBN 3-910022-99-5