Für die Rückreise an die Westküste bietet sich der Götakanal an. Mit dem Boot quer durchs Land zu fahren hat auch seinen Reiz, von der enormen Verkürzung der Strecke einmal ganz abgesehen.
Eine Schlechtwetterphase steht bevor, aber noch ist der Luftdruck mit 1029 hPa unglaublich hoch. Morgens kommt Westwind auf und es beginnt zu regnen. Am späten Vormittag verlegen wir nach Arkösund. Dort sehen wir beim Einlaufen Küstenwache und Polizei am Steg. Noch sind die Beamten bei einer Yacht mit Schweizer Flagge. Auch wir werden kontrolliert, andere ausländische Boote sind keine anwesend. Ein Beamter prüft die Pässe, alles scheint in Ordnung zu sein. An Bord kommen sie nicht, von Schiffspapieren und Logbuch wollen sie auch nichts wissen. Unser Boot gefällt ihnen sehr gut. Sie wünschen uns eine sichere Weiterreise und verabschieden sich.
Wir buchen das Ticket für den Göta- und Trollhättekanal. Weil Nachsaison ist, müssen wir fünf Tage warten, bis wir die Kanalfahrt antreten können. Anschließend werden wir zwei Wochen am Vänernsee bleiben, bis der Trollhättekanal wieder befahrbar ist. Dieser ist wegen Revision drei Wochen lang komplett gesperrt.
Wir sind allein hier im netten, kleinen Clubhafen der Norrköping Segelsällskap. Draußen regnet es und es bläst nun mit bis zu 15 m/sec, da ist ein ausgiebiger Saunabesuch gerade richtig. Hundewetter auch in den nächsten Tagen, farbloses Grau in Grau. Von den NAVTEX Stationen kommen „near gale warnings“ für alle nahen Seegebiete und den Vänern. Es ist eine Omega-Wetterlage, und diese kann andauern. Wir bleiben im Boot, es gibt nichts Wichtiges zu tun. Nur die Länge der alten Fockschoten wird bestimmt. Diese wollen wir als Leinen im Kanal verwenden. Je 24 m reichen aus, um sie vom Bug zum Ring am Kai und zurück bis zur Winsch zu führen. Es werden noch ordentlich Vorräte für die Kanalpassage gekauft. Nachmittags geht es jeweils in die Sauna und ins 12° kalte Meer. Bei dem Wetter ein Genuss.

Anreise, Arkösund – Mem

Sonne, endlich! Das Wetter ist besser als die Prognose und wir bereiten das Boot zum Segeln vor. Erst geht es der Küste entlang nach SW, dann bei Stegeborg vorbei in den Slätbaken. Der Wind ist ausgezeichnet, etwas böig, aus nördlichen Richtungen. 7,6 Knoten Fahrt ist für unsere Yacht recht gut. Nur zwei Wenden und ein kurzer Kreuzschlag sind auf diesen 21 Meilen nötig. NAMIDA ist schon hier, die Schweizer haben Arkösund schon früh am Morgen verlassen. Ursula und Matthias kommen auf eine kurze Unterhaltung herüber. Sie fahren schon morgen in den Kanal ein. Wir werden uns wohl am Vänern wiedersehen.
Wir haben noch zwei Wartetage und heute ausgiebig Gelegenheit, das Schleusen zu beobachten. Nachmittags wandern wir entlang des Kanals wir bis Söderköping und ersteigen die Felswand nördlich der Stadt. Das wird mit einem ausgezeichneten Blick belohnt. Der Damm, welcher hier den Götakanal bildet war immer schon ein problematisches Teilstück des Kanals. Die geschotterte Dammkrone und der noch fehlende Bewuchs zeigen, dass dieser Bereich 2017 erneuert wurde. Entgegen unserer Erwartungen ist kein weiteres Boot erschienen.
Am nächsten Tag paddle ich den Storån hinauf. In Söderköping gehe ich in einem Park an Land, trage das Kajak hinüber zum Götakanal und paddle Richtung Mem zurück.

Mem – Berg

Heute geht es los. Wir haben die langen Vorleinen über Blöcke und die Vorsegelholepunkte auf die 54er Genuawinschen gelegt. Die Heckleine führt durch den Beschlag achtern auf die Großsegelwinsch.
Es ist eindrucksvoll, erstmals in eine Schleusenkammer zu fahren. Das Holen der Leinen mit den Winschen ist kraftsparend. Der Wasserschwall beim Fluten der Kammer ist zu Beginn sehr stark, er sieht aus wie ein Wildbach und rauscht entsprechend. Die Leinen müssen immer dichtgeholt bleiben. In der Schleusenkammer bildet sich ein sehr turbulenter, starker achterlicher Strom aus, welcher das Ruder hart auf Anschlag legen kann. 15 Schleusen und 9 Brücken werden es an diesem Tag. Eine Brücke hat technische Probleme, wir warten mit laufender Maschine eine halbe Stunde. Wir warten auch, bis die Eisenbahnbrücke geöffnet werden kann. Der Zugverkehr hat Vorrang und erlaubt nur kurze Öffnungszeiten.
Am Roxensee weht kräftiger Westwind, wir müssen gegen eine bremsende Welle fahren. Abends um 20:00 kommen wir müde in Berg an. Gut, dass schon vorgekocht ist.

Berg – Borenshult

Gleich am Morgen geht es über die Carl Johan Schleusentreppe. 18,8 Höhenmeter mit sieben Schleusen, dann die Doppelschleuse Oscar und die Doppelschleuse Berg mit Brücke. 5,5 m Hubhöhe in den Doppelschleusen. Ein unglaubliches Bauwerk, für die damalige Zeit (1810 -1832) und ihre technischen Mittel. Von dem 190 km langen Kanal wurden 87 km von Hand gegraben, gesprengt und gemauert. 58.000 Soldaten waren hier an der Arbeit. In den Wänden der Kammern ist oft das Jahr der Erbauung in den Stein gemeißelt.
Heute ist das Schleusen kein Problem mehr, wir wissen seit gestern wie das am besten geht! Bald sehen wir zwischen den Häusern und Bäumen hinunter auf den Roxensee. Die deutsche MAYBE ist dageblieben und wir fahren den Rest des Tages allein mit unserem persönlichen Schleusenwärter. Das ist sehr angenehm.
Bis Borensberg ist ein langes Teilstück, auf dem nur ferngesteuerte Brücken vorkommen. Unser AIS Signal bewirkt, dass Schleusenwärter Olle die Brücken genau zeitgerecht öffnen kann. Diese gewundene Fahrstrecke führt entlang des tiefer liegenden Sees Norrbysjön durch Agrarland und Baumalleen. Heute sind es 16 Schleusen, 10 Brücken. Bei den Aquädukten fahren die Autos in der Unterführung unter dem Kanal durch.
Die Schleuse in Borensberg hat nur 20 cm Hubhöhe und wird noch wie früher über Zahnstangen und Kurbeln handbedient. Wir machen gleich danach fest, waschen Wäsche, tanken Wasser und kaufen ein. Der Luftdruck ist während des Tages stark und schnell von 1023 auf 1007 hPA gefallen. Daher weht der Westwind kräftig. Nach dem Essen fahren wir über den Borensee in einen schönen Abend, bis Borenshult.

Borenshult – Forsvik

Business as usual, könnte man am dritten Tag schon sagen. Die zweithöchste Schleusentreppe mit fünf aufeinanderfolgenden Kammern gehen wir schon locker an. Wir sind allein und müssen daher nicht mehr ganz nach vorn in die Schleusenkammer fahren. Schleusenwärterin Lina lässt das Wasser sehr schnell in die Kammer schießen. Nach kurzer Fahrstrecke kommen wir in Motala bei der Werkstatt und dem Trockendock vorbei. Wir passieren das Grab von Baltzar von Platen und warten vor einer alten Eisenbahndrehbrücke. Das grüne Signal kommt und die neue Eisenbahnbrücke sowie eine große Straßenbrücke werden extra für uns geöffnet. Nach der letzten Schleuse fahren wir in den Vätternsee. Überraschend winken unsere Schweizer Segelfreunde vom Steg. Wir legen an und nehmen einen Espresso auf NAMIDA. Die Fahrt über den Vätternsee ist zuerst leicht windunterstützt, eigenartigerweise lässt der Wind aber in der Seemitte völlig aus. Zwei Stunden lang warten wir vor der Straßenbrücke in Karlsborg. Das ist bei dieser kleinen Provinzstraße schon eigenartig, wenn man gerade zuvor das sehr schnelle Service und den hohen Aufwand bei der Durchfahrt von Motala erlebt hat.
Der freundliche Skipper von der finnischen C´YA! hat uns beim Anlegen geholfen, er wird mit uns den Rest des Kanals gemeinsam fahren. Nun geht es noch einige landschaftlich schöne Meilen über den Bottensjön bis nach Forsvik.

Forsvik – Töreboda

Die Schleuse Forsvik ist die älteste des ganzen Kanals und bringt uns auf den höchsten Punkt unserer Reise. Der Vikensee ist 91,8 m über Seehöhe. Die Schleusenkammer wurde in den Granit gesprengt und nur teilweise ausgemauert. Entsprechend zerklüftet sind die Wände. Schleusenwärter Håkan macht seine Sache aber gut, der Wasserspiegel steigt langsam. Mit dem Bootshaken drücke ich das Schiff ab, das Fenderbrett würde sonst am Fels einhaken. Dann geht es hinaus auf den sehr schönen Vikensee. Führungsmauern leiten in den engen Spetsnäskanal und aus diesem heraus. Der See ist hier schmal, nicht tief und unrein. Das Fahrwasser führt oft eng zwischen den Seezeichen und den Führungsmauern durch, hinter denen sich die Unterwasserhindernisse befinden. Der Kurs führt über den See bis Tåtorp. Hier wird die Schleuse noch mit Gangspill handbetrieben und bringt uns erstmals etwas tiefer. Der Vikensee versorgt den Westteil des Götakanals mit Wasser. Der Kanal führt durch Wälder und landwirtschaftlich genutzte Landschaft. Neben anderen Brücken kommt in Töreboda noch eine Eisenbahnbrücke. Wir gehen einkaufen, aber die relativ junge Stadt ist ohne jeglichen Charme.

Töreboda – Sjötorp

Es ist bewölkt und trocken, aber schon herbstlich kalt. Schleusenwärter Niclas kommt zum Schiff und begrüßt uns. Heute ist die letzte Etappe, es sind nur acht Seemeilen, diese aber garniert mit 19 Schleusen, davon eine Schleusentreppe, etliche Doppelschleusen, auch Schleusen-Brücke Kombinationen.
Beim Abschleusen reichen kürzere Leinen, welche am Boot belegt sein müssen. Helga steigt über, fädelt die Tampen in die Ringe ein und kommt wieder an Bord. Die Leinen werden nur von Hand gehalten, das Wasser in der Kammer ist beim Abschleusen ruhig. Durch eine Ungeschicklichkeit verliere ich während der Fahrt einen großen Fender. Die Crew des nachfolgenden Motorboots fischt diesen aus dem Wasser. In der nächsten Schleusenkammer erfolgt zur allgemeinen Erheiterung der Tausch gegen eine Flasche Valpolicella.
Endlich sehen wir den Vänernsee. Nach der 2,9 m hohen Seeschleuse sind wir im Vänern und auf 43,8 m über Meer. Wir biegen gleich in den Hafen ab. Geschafft! Wir haben einen Tag Pause notwendig. Das Abendessen schmeckt uns ausgezeichnet und nach einem Glas Whiskey fallen wir heute früher als sonst in die Koje.