Törn nach Nevis

Ein hübscher Vollmond scheint vom Himmel, sonst sind nur einige Schäfchenwolken zu sehen. Silbern reflektiert das Meer das Mondlicht, der Wind ist gut und die Nachtfahrt perfekt. Helga fährt die Wache bis 03:00 Uhr. Als ich übernehme, geht der Mond hinter Wolken unter. Die Insel Montserrat ist als dunkler Schatten gut zu erkennen. Auf Steuerbord ist der Lichtschein von Antigua auszumachen. Der erforderliche sehr tiefe Kurs, um westlich an Montserrat vorbeizukommen, gelingt uns nicht. Wir segeln Vollzeug und haben einen Bullenstander gesetzt. Sonst hätten wir in der Nacht wegen der von achtern einlaufenden Wellen sicherlich schon einige Patenthalsen gefahren. Wir fahren etwa 350 – 0 Grad, die Missweisung ist hier 14,7 Grad.

  • Nachtfahrt bei Mondschein
  • Dämmerung mit Venus
  • Morgen auf See
  • Vorbei an Montserrat
  • Sonnenaufgang

Als Helga um 06:00 Uhr ins Cockpit kommt, sind wir bei Montserrrat vorbei und der Felsen von Redonda liegt vor uns. Dieser wird erstaunlich groß, als wir uns nähern. In der Karte ist das doch nur ein winziger Fleck! Eine Zeitlang war das karge Eiland bewohnt, weil hier Bergbau betrieben wurde. Heute ist es ein Vogelreservat. Kurz davor halsen wir und laufen eine Stunde lang auf dem anderen Bug, um die nicht gebrauchte Höhe zu versegeln. Nach der zweiten Halse können wir die Leeküste von Nevis anliegen lassen.

Wir segeln gerne unter Windpilot. Wenn das System gut eingestellt ist, arbeitet es trotz Welle fein und sehr genau. Von Deshaies nach Nevis waren es 98 sm, die wir laut GPS mit 7,7 kn Schnitt segelten. Unsere Yacht läuft bei ausreichend Wind mit der neuen Unterwasserbeschichtung also erfreulich gut!

Einklarieren

Bei Charlestown nehmen wir eine Boje vor dem langen Strand. Ich fülle noch schnell online eine Ankunftsmeldung aus. Wie würde man das ohne Starlink machen? Dann begeben wir uns schon zum Einklarieren, man beginnt bei Immigration. Die Beamtin verweist uns auf einen QR-Code an der Wand und zieht sich wieder in ihren Bereich zurück. Auf der offiziellen Webseite ist für jede Person ein langes Formular auszufüllen. Nach Abschluss erhält man ein Bestätigungs E-Mail und eine Nummer, mit der man dann abgefertigt wird. Nach langem Blättern im Pass entscheidet sie sich für eine Seite, und genau dort wird nun gestempelt.

Kleiner Kran im Hafen

Bei Customs hingegen will die Beamtin die letzte Ausklarierung in Papierform und die SailClear-Nummer der vorab ausgefüllten Ankunftsmeldung. Durch die Onlineformulare müssen die üppigen, akkurat geschminkten Damen mit den gebügelten Uniformen gar nichts mehr selbst eingeben. Zwischendurch blicken sie auf ihre Smartphones, sprechen mit ihren Kolleginnen oder nehmen den einen oder anderen Anruf entgegen. Mit uns kommunizieren sie kurz und knapp, demonstrieren Überlegenheit und sind somit eher das Gegenteil dessen, was man hierzulande als serviceorientiert bezeichnen würde. Außer bei Immigration ist jeweils auch ein Geldbetrag fällig.
Schließlich m
üssen wir zu Port Control. Das auszufüllende Formular ist klar für Schiffe ausgelegt, es gibt Felder für Cargo und dergleichen. Immerhin beinhaltet diese Gebühr auch die Mooringboje.

  • Bushaltestelle am Hafen

Alle diese kleinen, aber gut gekühlten Büros sind im selben Gebäude untergebracht. Da wir erst deutlich nach 15:00 Uhr eintrafen, konnten wir sämtliche Vorgänge bis zum Dienstschluss um 16:00 doch relativ zügig abschließen.

Stadtbesichtigung Charlestown

Nach diesen bürokratischen Strapazen schlendern wir erleichtert in der hübschen Stadt herum, die sich durch ihre Steinbauten deutlich von anderen Orten in der Karibik abhebt. Hier hat Admiral Lord Nelson 1787 die Witwe Frances Nisbet geheiratet. Prince William Henry, der spätere englische König, war der Brautführer. So ist es auf einer Erinnerungstafel zu lesen. Auch viele Strassennamen verweisen auf die Kolonialzeit.

Die Insel ist vulkanischen Ursprungs und etwa kreisrund. Im Zentrum erhebt sich der ruhende und meist in Wolken gehüllte Vulkan Nevis Peak 985 m über die karibische See.

Charlestown, Nevis – Basseterre, St. Kitts

Vormittags unternehmen wir einen ausgedehnten Spaziergang entlang der endlosen Strände. Hinter diesen wurden gut angelegte, luxuriöse Ferienressorts gebaut. Wunderbare Gartenanlagen und unzählige Palmen sorgen für ein sehr gepflegtes Ambiente. Noch ist nichts los hier.

Elendsquartier Nevis
Die andere Welt in Nevis, Unterkunft aus Altmaterialien
Superyacht und Helga
Da passt auch etwas nicht zusammen…

Später tuckern wir über die Meeresenge The Narrows 12 sm nach Basseterre, St. Kitts hinüber. Hier sind in der Marina Dalbenboxen. Das ganze Gelände ist gut gesichert. Der Stadtkern ist recht schön, hat einen eigenen Charakter und wirkt etwas gepflegter als andere karibische Städte. Auf dem zentralen Platz steht ein eiserner Brunnen mit Uhren, das Berkeley Memorial.

  • Marina Basseterre
  • Hauptplatz Basseterre
  • Strassenansicht St. Kitts
  • Strassenansicht St. Kitts
  • Detail Strassenansicht St. Kitts
  • Hauptplatz Circuit
  • Abend in Basseterre

Anderntags nehmen wir ein Taxi und lassen uns nach Brimstone Hill fahren. Ilva Williams, die Fahrerin ist 76 Jahre alt und fährt schon 54 Jahre mit dem Taxi. Ihre neun Kinder sind in alle Welt verstreut, Kanada, Frankreich, England. Während der Fahrt erzählt sie uns von der Geschichte der Insel.

Taxifahrerin

Brimstone Hill

Die Auffahrt zur Festung Brimstone Hill ist steil, die Durchfahrten durch die Tore sehr eng. Die Festung selbst ist enorm groß, sehr gut erhalten oder restauriert. Wir sind früh dran und die ersten Gäste dieses Tages. Wir schlendern durch die Anlage, sehen uns die Ausstellung in der Zitadelle an und genießen die phänomenale Aussicht bis nach St. Eustachius und Saba.
Britische Armeeingenieure entwarfen diese gewaltigen Anlagen, afrikanische Sklaven bauten sie. Baubeginn war im Jahr 1690, und es wurde sehr lang gebaut. Am Ende der Sklaverei waren fast 20.000 Sklaven in St. Kitts, der profitabelsten britischen Kolonie in der Karibik.

Romney Manor

Auf dem Rückweg halten wir bei einem Stein mit Petroglyphen der Kalinago an. Ganz in der Nähe befinden sich die Ruinen von Wingfield Estate, der ersten britischen Plantagensiedlung in der Karibik. Hier wurde auch erstmals karibischer Rum produziert. Aber die befestigten Bauten lagen in der Nähe der heiligen Stätten der Kalinago, und der kulturelle Konflikt war vorprogrammiert. Die Kalinago waren anfangs gastfreundlich, doch die Europäer missverstanden die unterschiedlichen sozialen Normen, verhielten sich sicherlich agressiv und wurden daher für die Ureinwohner schnell zur Bedrohung.
Nach eine
r schmalen Auffahrt durch den Dschungel gelangen wir hinauf nach Romney Manor. Auf dem Platz des alten Anwesens mit schönem Park befand sich ursprünglich der Wohnsitz des Häuptlings der Kalinago, Chief Tegreman. Holzfäller fanden die Insel 1590 noch unbewohnt vor, die Kalinago wanderten etwa um 1600 hier ein. Aus dieser Zeit stammt auch der überaus mächtige, 400 Jahre alte Samana Baum. Im Haus werden heute schöne Batikarbeiten gemacht und zum Kauf angeboten.

Bloody Point

Wenige Kilometer westlich von Basseterre liegt Bloody Point. Nur eine Tafel weist auf die tragische Geschichte dieses Ortes hin. Die Engländer und Franzosen siedelten sich ab 1623 auf der zuerst St. Christopher benannten Insel unter Duldung durch die Ureinwohner an. Nachdem sie aber immer mehr expandierten sahen die Kalinago in ihnen eine Gefahr. Gemeinsam mit Stämmen der umliegenden Inseln wollten sie die Siedler vertreiben. Der Plan wurde aber verraten und es kam am Bloody River im Jahr 1626 zu einem Massaker, bei dem 2000 Kalinago durch die europäischen Besatzer getötet wurden.
Weitere 2000 Ureinwohner wurden vertrieben, versklavt oder nach Dominica deportiert. Danach wurden afrikanische Sklaven auf die Insel gebracht und der Zuckerrohranbau groß aufgezogen. Noch heute sieht man vom Boot aus unzählige Schornsteine der alten Fabriken. 
Frankreich und England teilten sich zwar St. Kitts, stritten aber noch lange um andere karibische Inseln. Auch Spanien, die Niederlande, Dänemark und Schweden hatten Interessen in der Karibik. Befestigungen waren daher das erste, was die Kolonialherrn bauten. Erst 1713 fiel St. Kitts endgültig ganz an die Briten.

  • Landschaft, St. Kitts
  • Strassenszene aus dem Taxi gesehen
  • Bucht in Basseterre, St. Kitts
  • Baum in Park, St, Kitts

Für die weitere Fahrt würden wir aus heutiger Sicht einen Besuch der nahen Inseln St. Eustachius und Saba einem Törn in die BVI/USVI vorziehen.