San Juan, Puerto Rico – St. George´s, Bermuda
915 Seemeilen , 7 Tage
10.5.
Wir hatten gestern schon an der Vorbereitung der Yacht für diese Passage gearbeitet. Bei Customs and Border Protection im Panamerica Terminal bekomme ich von einem freundlichen Beamten ein Form 1300 Ausreisepapier, ein sog. Zarpe. Nun sehen wir uns noch Details in den Seekarten an und pünktlich um kurz vor 10:00 Uhr laufen wir aus. Die voraussichtliche Ausreisezeit muss man bei CBP angeben.


Im Hafen war es unerträglich heiß. Der prognostizierte Wind weht schon und er kühlt. Unter der gewaltigen Festung El Morro setzen wir die Segel. Die Wellen kommen seitlich ein. Wir fahren quer zum Antillenstrom, der uns etwas nach Lee versetzt. Der Wind legt nachmittags zu, 20 Knoten aus Ost. Das ist auf Nordkurs Halbwind und das Boot läuft exzellent. Wir reffen das Großsegel bis auf die halbe Baumlänge. Das ist wirklich wenig Segelfläche und die Kräfte im Rigg scheinen moderat zu sein. Trotzdem fallen wir nur selten unter 7 Knoten.

11.5.
Ein fast voller Mond steht im Osten am Himmel und der Windpilot steuert das Boot durch die helle Nacht. Morgens um 7:00 Uhr haben wir bereits 145 sm geloggt. Das Barometer steigt, leichte Windabschwächung gegen Mittag hin. Schönwetter und ein gutes Etmal von 166 Seemeilen erfreut die Crew. Ersten Großschiffsverkehr treffen wir im Bereich der ODAS Tonne 4 1343.
12.5.
Eine helle Vollmondnacht mit sehr geringer Bewölkung ist auf See immer sehr schön. Als der Mond untergeht, dämmert im Osten schon der Morgen unter der Venus. Sehr gutes Segeln, aber leider sind wir beide etwas seekrank. Nach einem Schläfchen geht es uns wieder besser.
Das Etmal ist ausgezeichnet, wieder genau 166 sm. Starlink arbeitet auch auf offener See problemlos, wir können uns über die neueste Wetterentwicklung informieren und E-Mails schreiben.
Abends sehen wir wieder einen schönen Mond aufgehen. Er zeigt einen Hof und das ist ein Zeichen für hohe Cirrusbewölkung. Trotzdem sieht der Himmel in der Nacht klar aus. Der Windpilot arbeitet ausgezeichnet und nimmt uns das Steuern ab. Wenn er gut eingestellt ist, fährt das Boot einen immer gleichen Winkel zur Windrichtung. Das System ist leise und verbraucht keinen Strom.

13.5.
Während der Nachtfahrt ist heute keinerlei anderer Verkehr in der Nähe. Der Wind und die Welle sind mäßig. Für Nachmittag ist wenig Wind vorhergesagt, weil wir in ein kleines Hochdruckgebiet einfahren werden. Der Luftdruck ist tatsächlich schon gestiegen.

Geräusche von der Ruderanlage lassen mir keine Ruhe. Ich sehe nach und stelle fest, dass sich das obere Ruderlager wegen des nach unten verrutschten Halterings schon fast ganz aus seiner Lagerung gearbeitet hat. Der Ruderschaft bewegt sich, weil die Führung fehlt, leicht seitlich. Unglaublich! Das untere Lager muss alle Kräfte abgefangen haben. Die Simmerringe sind noch völlig dicht. Weil das Ruder auch noch am Skeg gelagert ist, ist das Problem nicht ganz so schwerwiegend.
Ich verwende einen Keil um das Lager und den Haltering nach oben zu drücken, aber mit nur mäßigem Erfolg. Nach dem Entfernen eines Möbelteils komme ich besser dazu und kann das Lager mit Schraubzwingen sehr einfach wieder weit eindrücken. Ich ziehe die Schrauben fest und sichere diese Verschraubung mit Kontermuttern. In Bermuda vor Anker wird der Ruderschaft ohne Druck und Drehbewegung sein. Dann kann ich das Lager ganz eindrücken und wieder sicher fixieren.

14.5.
Morgens um 05:00 Uhr hilft nur mehr: Maschine an, kein Wind. Nach zwei Großschiffsbegegnungen und einem Frühstück können wir nach drei Stunden den Motor wieder abstellen. Aber es geht nicht gut. Ich versuche es mit dem Gennacker. Damit kann man zwar fahren, aber das Segel steht wegen der Welle und des unsteten, leichten Winds nur sehr unruhig.
Zu Mittag setzen wir die normale Besegelung und motoren einige Meilen. Es wird besser und wir können wieder ganz passabel segeln. Am Himmel stehen feuchte Cumuli, darüber liegt eine dichte Altocumulus Schicht. Es ist schwülwarm und das Licht ist farblos.




15.5.
Nach einem farbigen Sonnenaufgang ist trübes Wetter. Die Sonne versteckt sich hinter einem dichten Cirrenschirm und zeigt ein kräftiges Halo. Mittags bäckt Helga Brot und wir duschen an Deck, beides ist ein Genuss!
Leider steht eine kurze, unangenehme Welle. Die Yacht nickt und das bremst. Auf Raumwindkurs ist so kein Weiterkommen möglich und schlagende Segel sind uns ein Graus! Wir halsen und fahren nun Kurs WNW, das ist schneller und ruhig. Abends soll der Wind auffrischen, dann werden wir wieder zurück halsen.
16.5.
Es ist schwachwindig. Das Boot ist nur auf Halbwindkurs in Fahrt zu bringen. Das sind etwa 60 Grad, also nicht die Richtung die wir uns wünschen. Weil aber Südwestwind kommen soll, werden wir später in einer guten Position zum Ansteuern von Bermuda sein. Mittags ist es dann soweit, auf dem anderen Bug läuft es ganz passabel. Dann zieht eine Wolkenwurst über uns und ein starker Regenguss wäscht viel Salz vom Boot.
Eine Begegnung mit einem Tanker macht uns Probleme. Dass ohne Maßnahmen eine gefährliche Nahsituation droht, können wir mit der Hilfe von AIS und Elektronik schon mehr als eine Stunde vorher feststellen. Eine Kursänderung möchten wir nicht. Wir nehmen daher das Großsegel weg und werden langsamer. Der Tanker legt den Kurs um 3 Grad von uns weg. Das beobachten wir selten. Diese fast 300 m langen Großschiffe sind für uns erst ab ca. 12 Seemeilen Entfernung in der Kimm sichtbar, aber dann sind sie sehr schnell da! Über eine geeignete Ausweichtaktik muss schon lange vorher entschieden werden.


Wir rechnen unsere voraussichtliche Ankunftszeit aus und trimmen die Segel entsprechend. Die SailClear Arrival Notification gebe ich per Starlink ab. In der Nacht streift ein Vogel die Windturbine, stürzt ab, bleibt aber unverletzt und fliegt bald weiter. Die Turbinenblätter haben es auch überstanden. Großes Glück für beide! Wir haben unsere Batterien seit vielen Wochen nicht mehr an Landstrom aufladen können und benötigen diese Energiequelle unbedingt, um autonom zu sein.


17.5. St. George´s, Bermuda
Der Erstkontakt mit Bermuda Radio scheitert wegen der noch zu großen Entfernung. Nun ist sehr guter Wind. Wir reffen, um nicht schon im Dunkeln anzukommen. Helga fährt die Wache von 23:00 bis 02:00 Uhr. Bei der folgenden Hundswache dauert es lange, bis endlich die Sonne aufgeht. Es ist feucht bei für uns noch ungewohnt frischen Temperaturen.
Ein Segelboot nach dem anderen meldet sich per Funk an und fährt durch den Town Channel in den weitläufigen Hafen. Die vielen ARC Boote füllen die Marinas und die Ankerplätze. Wir suchen uns einen Platz und ankern, verlegen aber später wegen des zu geringem Abstands zum Nachbarboot. Am neuen Platz passt es viel besser.
Wir machen uns bereit, um an Land zu gehen. Einen so überfüllten Dinghysteg wie hier sahen wir noch nie. Die Einklarierung beim Yachting Reporting Centre auf Ordnance Island verlief problemlos, ich hatte alles gut vorbereitet. Hier ist man auf besuchende Yachten eingestellt und die Beamtinnen sind freundlich und geben auch zusätzliche Auskünfte. Dann schlendern wir durch die hübsche Stadt. In der zweiten Straßenreihe finden wir ein nettes Pub, trinken Pints und essen würzige Wahoowraps.
Anschließend spazieren wir noch durch die Stadt und treffen Sheryl und Paul von der DISTANT SHORES IV. Ihr neues, holländisches Aluboot vom Typ Enksail Orion 49 fiel mir am Kai sofort auf.



Die Fahrt mit dem Dinghy zurück zum Schiff ist wegen des zur Zeit unzuverlässigen Außenborders nicht völlig emotionsfrei. Wir kommen nass, aber gut am Schiff an und schlafen uns aus.
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