St. George´s, Bermuda – Lajes das Flores
1949 Seemeilen, 16 Tage 21 Stunden
23.5.
Einige Kleinigkeiten sind noch einzukaufen, dann stelle ich mich bei Customs an und bemerke, dass ich die Departure Notification vergessen habe. Also zum Boot, das nachholen und wieder nach Ordnance Island fahren. Dann geht alles sehr schnell. Wir nehmen das Dinghy an Deck und richten den Windpiloten her. Nach Funkkontakt mit Bermuda Radio Anker auf um 12:00 Uhr.
Wir setzen das Großsegel und fahren einen Raumwindkurs, etwa 65°. Die Logge ist ausgefallen, sie zählt sehr langsam und falsch. Sie hätte eine Reinigung nötig gehabt. Den Geber mit dem Rädchen ziehe ich aber nur ungern, wenn das Schiff im Wasser ist. Er ist an einer tiefen Stelle unten im Rumpf. Da darf nichts schiefgehen!
Um 15:00 Uhr ist der Wind schwächer, die Fahrt bleibt unter 5 kn. Um 17:00 Uhr Funkkontakt mit SY NADA. Martin mit einer Amel Ketsch und Ziel Horta.
Abends kommt der Wind und CARA MIA rauscht mit Butterfly Besegelung dahin. Helga fährt die erste Wache von 20:00 – 23:00 Uhr, dann wird alle drei Stunden gewechselt.
24.5.
Um 05:00 Uhr früh übernehme ich von Helga. Es ist frisch im Schiff, 97 sm bisher, schöner Sonnenaufgang. Die Amel segelt nur wenige Meilen von uns entfernt. Wind um die 17 kn aus 200°. W-SW-WSW F4. 07:30 Uhr 17-19 kn aus 180 -200°, abgefallen, neuer COG (course over ground) 30 – 40°
Die Amel haben wir nun überholt. Wir halsen kurz vor Mittag und segeln nun um die 70° mit guten 7 Knoten Geschwindigkeit.
12:00 Uhr, der Mittagsfix ergibt ein Etmal von guten 142 sm. Wind um die 15 kn aus 155°
15:00 Uhr, Batterieladung 79 %, Wind 12 – 16 kn aus 160°, WSW F4

Wir sehen viele Portugiesische Galeeren. Diese Quallen haben eine durchsichtige Schwimmblase und ein ebensolches Segel und treiben an der Wasseroberfläche dahin.

17:00 Uhr, COG 70 – 80°, Wind 12 -14 kn aus 140 – 160°. Abends nach 19:00 Uhr ziehen dichte Cirren auf und die Sonne ist als milchige Scheibe sichtbar. Der Wachplan für heute: Martin 20:00 – 23:00 Uhr, Helga bis 02:00 Uhr, Martin bis 05:00 Uhr
25.5.
Der Wolkenaufzug bringt nächtliche Gewitter, ein Trog zieht durch. Wir ändern den Kurs, um aus der Zone mit den unheimlichen Blitzen wegzukommen. Helga ist auf Wache, ich habe das ganze Donnerwetter verschlafen. Nach dem Gewitter ist der Wind auch fast weg. Wir fahren zu unserem vorherigen Kurs zurück.
Am Morgen weht er wieder aus westlichen Richtungen. Wir laufen mit ausgebaumten Segeln OSO Kurs. NADA ist uns nun davongefahren. Wir checken das Wetter und nehmen die Segel auf die andere Seite. Um 12:00 Uhr sind dunkle Wolken um uns, der Luftdruck steigt leicht. 17 kn Wind aus 220 °, endlich läuft das Boot wieder.
Die Prognose ist gut, es soll noch einen Tag so bleiben. Nachmittags und abends schöne Cumulusbewölkung, Luftdruck 1020,1 hPa langsam steigend. Sogar der Windgenerator arbeitet. Guter Wind auch in der Nacht.
26.5.
Die Nachtwache war ruhig. Zwei Großschiffe, sonst ohne Probleme. Der Wind ist nun stärker, die Welle auch. Das Boot luvt an, wir reffen daher das Großsegel etwas. Kurskorrektur am Windpilot auf Abfallen. Der Morgen zeigt sich bedeckt mit einer hohen Schichtbewölkung und nur wenigen, kleinen Kondensen darunter. Regen ist angesagt und so sieht es auch aus. Wind 18 – 20 kn aus 180 – 200°.
Vormittags das Großsegel etwas reduziert. Ab Mittag Wind nun zunehmend, 26 kn aus 190°, die Welle wird höher. Wir laufen nun 7 kn mit ausgebaumter Fock und stark gerefftem Groß, fast platt vor dem Wind. Um 14:30 Uhr starke Böen, nachfolgend Regen aus schwarzen Wolken und hohe Wellen. Nach dem ersten Regenguss nehme ich den Spibaum weg. Der Wind kommt nun aus NNW, wir ändern den Kurs leicht.
Nach dem Abendessen stehen schon wieder schwarze Wolken am Horizont. Diese stockdunkle Nacht mit Regen und Starkwind ist wohl die übelste, seit wir segeln. Die Ausläufer eines großen Tiefs streifen uns. Unvorstellbar, welche Bedingungen für Segler näher beim Zentrum des Tiefs vorherrschen würden.
27.5.
Helga justiert die Windsteuerung nach und wird im Cockpit von einer Welle voll durchnässt. Sie friert. Ich übernehme ihre Wache, bin aber seit 24 Stunden durchgehend auf. Im Ölzeug in einem Schlafsack eingewickelt sitze ich unter der Sprayhood. Ab und zu regnet es. Wir haben nur ein kleines Stück Großsegel gesetzt. Das genügt vollauf bei diesem Wind und hat den Vorteil, dass der Windpilot den Kurs halten kann. Ich heize im Boot ein, damit es gemütlicher wird und unsere Sachen trocknen. Um 05:00 Uhr übernimmt Helga, ich schlafe etwas, mache dann Frühstück. Nun hat sich das Wetter etwas beruhigt und wir nehmen die Fock dazu. Die Geschwindigkeit ist auch mit so wenig Segelfläche sehr gut. Im Norden sind kleine blaue Löcher zu entdecken. Mit dem ganz leicht steigenden Luftdruck besteht Hoffnung auf baldige Verbesserung der Bedingungen!
Heute und morgen soll noch Wind sein, dann bildet sich östlich von unserer aktuellen Position ein riesiges Hoch. Wie wir damit umgehen werden, wissen wir noch nicht. Starlink ist eine feine Sache! In Kombination mit Windy bietet es eine ausgezeichnete Entscheidungshilfe über den zu fahrenden, günstigsten Kurs. Wir schalten zweimal am Tag kurz ein. Der Stromverbrauch ist besonders beim Suchen der Satelliten recht hoch, etwa 100 W, später im Betrieb nur 35 W. Recht weit blicken wir beim Wetter aber nicht nach vorne, es ändert sich ja ständig. Wichtig ist, dass wir die Tiefs vermeiden, aber ihre Winde nutzen.
Nach dem Frühstück legt sich Helga wieder hin, sie ist müde. Der Geräuschpegel im Boot ist hoch und seine Bewegungen sind unangenehm. Von einem Beinahe-Sturz vom Niedergang auf die Anrichte trägt sie einen blaugrünen Fleck davon.
Eigene Position um 08:00 Uhr Bordzeit 36° 26.16´N 056° 47.74´W. Am Himmel stehen nun schöne Cumuli vor blauem Hintergrund. Die Luft ist frisch. Wir sind nun im Kaltluftsektor hinter der abziehenden Front. Der Wind ist gut, NNE – N Stärke 4. Der bisher schönste Segeltag auf dieser Passage!
Heute Abend fahre ich die erste Nachtwache. Einem Tanker weichen wir unter Maschine aus.
28.5.
Ich wache auf, weil das Schiff mächtig Fahrt macht und die Windturbine brummt. Schon unten bekommt man mit, dass es läuft! Wachwechsel um 02:00 Uhr.
Hinter einer regnenden Wolke ist es dann aus mit dem Wind, die Segel schlagen. Wir starten die Maschine. Aber schon nach wenigen Minuten sind wir aus dem windstillen Bereich gefahren und können das Großsegel wieder setzen. Schöne Morgenstimmung, Regenwolken voraus.
Helga legt grundsätzlich den allergrößten Wert auf schnelle Fahrt und besten Trimm. Nachjustieren der Besegelung und des Windpiloten sowie ein nicht zu hoch am Wind liegender Kurs bringt die gewünschten Zahlen auf die Displays.
Zwischen 07:00 und 08:00 Uhr dreht der Wind. Nun laufen wir einen harten Am-Wind-Kurs von etwa 120°. Ein südlich von uns aus Westen heranziehendes Tief saugt stark. Wir wenden und fahren mit dem starken Wind in Richtung 345° davon und damit in das sich entwickelnde Hoch.
Abends sieht Helga einen Blas. Ein Wal zieht vorbei wir sehen auch seine Fluke. Abends ist der Wind ist komplett eingeschlafen und wir starten die Maschine. Wir sind absichtlich weit in das Hoch eingefahren, um in die nördlich davon liegende Westwindzone zu kommen. Das Hochdruckgebiet ist an unserer Position keilförmig geformt und es dürfte nicht weit sein, bis wieder Wind von der Backbordseite einfällt. So hoffen wir jedenfalls.
Wir haben vor, dann weiter nach Norden in die Westwindzone zu fahren, aber die noch weiter nördlich wehenden, starken Winde des riesigen Tiefs über Kanada zu vermeiden. Gleichermaßen müssen wir vermeiden, wieder nach Süden in das windschwache Hoch zurückzufahren. Das Wetter und seine Entwicklung genau zu beobachten und taktisch kluge und fundierte Entscheidungen zu treffen ist durch Internet an Bord leicht geworden. Heute haben wir den Wind maximal ausgenutzt. Wir versuchen immer, unsere Ziele mit geringstmöglichem Motoreinsatz zu erreichen.
Nach sechs Tagen auf See wird einem wieder bewusst, wie riesig der Atlantik ist. Schon oder erst, – etwa ein Drittel der Strecke nach Flores ist geschafft. Dies sicher auch, weil wir nicht immer direkten Kurs, sondern auch Umwege fuhren, sei es wegen Ausweichmaßnahmen vor Großschiffen, wegen eines Gewitters, oder wegen der Windrichtung und der Luftdruckverhältnisse. Wir haben noch etwa 1100 sm nach Flores vor uns und freuen uns, wieder in „heimatliche“ Gefilde zurückzukehren. Genaue Gründe dafür könnte ich derzeit keine aufzählen, abgesehen vom Wegfall der unangenehmen Ein/Ausklarierungen, der besseren Einkaufsmöglichkeiten oder der weitaus günstigeren Preise.
Der Himmel ist bis auf wenige Cirren und weit entfernte Cumuli wolkenlos. Die Sonne geht farbig unter und eine schmale, helle Mondsichel auf einem groß erscheinenden Mond wird sichtbar. Darunter leuchtet Jupiter. Prokyon ist sichtbar, dann tauchen Capella, Pollux und Castor auf. Fantastischer Sternenhimmel!
29.5.
Der Diesel brummt monoton und um etwa 01:30 Uhr nicke ich auf Wache ein. Das Boot rollt und kippt mich schlafend mit dem Kopf voran auf den gerundeten Holzrand neben dem Niedergang. Die Folgen: eine Wunde auf der Stirn von einer Kamerahalterung und eine stark blutende Platzwunde an der Nasenwurzel. Der Schmerz hält sich in Grenzen. Blutstillung, Pflaster drauf. Eilig wische ich das Blut von der Stiege des Niedergangs, noch bevor Helga das Malheur zu Gesicht bekommt. Im Cockpit haben wir kurze Bandschingen und Karabiner, um uns zu sichern. Bei der relativ ruhigen Motorfahrt hatte ich leider auf die Verwendung verzichtet.
Der Morgen ist schön, glatte See. Wir sind seit der Wende mehr als 70 sm nach Norden gekommen, davon etwa 45 sm unter Maschine. Meine Nase ist geschwollen, auch im Nacken spüre ich Nachwirkungen. Am Vormittag Reinigung der Wunden und Versorgung mit SteriStrip und frischem Pflaster.
Unsere Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Obwohl wir bis Mittag motoren, hält uns das Hoch fest im Griff. Teilweise schien es besser zu werden, dann war wieder Flaute. Ringsum sind nur sehr kleine Cumuli zu sehen. Die See ist glatt, wir kommen zum Stillstand. Mittags dümpeln wir nur mehr. Um 14:00 Uhr ist ein Großschiff im Anmarsch. Wir setzen die normale Besegelung und kommen damit sehr langsam vorwärts. Von Mittag bis 19:00 Uhr machen wir lediglich 19 sm.
Nach einer Kursänderung staunen wir nicht schlecht. Bei dem wenigen Wind stehen doch gute SOG (speed over ground) Werte am Display. Ah, ja. 2 Knoten mitlaufender Strom. Deshalb also ist das Boot auf dem anderen Bug nicht gelaufen. Wir fuhren quer zum Strom und haben den gar nicht bemerkt. Aber das Schiff blieb stets unter der Geschwindigkeit, die für den vorherrschenden Wind gepasst hätte.
Heute fährt Helga die erste Nachtwache. Der Windpilot arbeitet bei wenig Wind leider nicht. Sie ist enttäuscht, dass der Wind nicht zugenommen hat und hat stundenlang durch die Nacht handgesteuert.
30.5.
Dramatische Wolkenstimmung am Morgen. Der Luftdruck ist gefallen, nun gleichbleibend. Ich mache Frühstück und die Häferl stehen noch ruhig auf der Anrichte. Wir trinken Kaffee im Cockpit. Gerade als ich die Wache übernehme, kommt der nördlich des Hochs erwartete SSW-SW Wind wie eingeschaltet. Der Windpilot wird getrimmt und kurze Zeit später stehen bis zu 8 kn SOG am Display. Weil der Wind später auf SW drehen wird, wähle ich einen tiefen Raumwindkurs, um nicht nach Süden wieder in den Einflussbereich des Hochs zu kommen. Noch steht wenig Welle und das Schiff läuft prächtig, wenig Schräglage, hohe Fahrt und relativ geringe Kräfte im Rigg. Perfektes Segeln!
Nachmittags schöne Cumulusentwicklung und Windzunahme. Wir reffen und behalten die Geschwindigkeit bei. In unseren Karten ist die ungefähre Eisgrenze eingezeichnet. Abends rufe ich unter https://www.navcen.uscg.gov/north-american-ice-service-products die aktuelle Grenze für gesichtete Eisberge ab. Unsere Route ist sicher, da wir auf 38° N fahren, Eisberge aber erst nördlich von 41° nördlicher Breite gesichtet wurden. Wir behalten daher den Kurs bei.
Seit 05:00 Uhr sind wir 98 sm gefahren. Es läuft, ein Genuss! Abends lösen sich die Cumuli nicht auf, sie werden groß und verschmelzen zu grauen Flächen. Das sieht sehr dramatisch aus. Wir müssen befürchten, dass uns Ausläufer des gigantischen, über Kanada stehenden Tiefs im der Nacht und morgen streifen. Wir reffen das Großsegel stark, später reffen wir auch die Fock.

Wetterkarte: Courtesy of Windy.com
31.5.
Während Helga´s Wache von 23:00 bis 02:00 Uhr sind die Verhältnisse am schlechtesten. Wir bekommen den Außenrand des Tiefs deutlich zu spüren. Wind bis 30 Knoten, die Welle unangenehm, weil sie seitlich auf den Rumpf schlägt. Später in der Nacht etwas zahmer. Die Lage stabilisiert sich vormittags langsam.
Nach Bermuda sind es nun 891 sm, nach Flores 791 sm. Wir sind schon über der Hälfte der Strecke.
Mittags Windabnahme und Drehung auf SW. Dadurch erreichen wir den günstigen NO Kurs mühelos. Nachdem der Wind wieder auffrischt, ist wieder alles beim Alten.
1.6.
Gute, weil problemlose Nachtfahrt. Um 04:00 Uhr ist der Wind fast weg. Helga kommt an Deck, Frühstück. Um 05:45 Maschine ein, Ausweichen vor einem Großschiff. Dann wieder auf den alten Kurs. Wir bauen auf Gennaker um. Das funktioniert aber nicht. Es ist zu rollig und zu wenig Wind. Die Halsleine reißt uns fast eine Positionslampe weg, der Schäkel am Segelhals öffnet sich und das Tuch fliegt. Ich berge das Segel. Mit Normalbesegelung auf Nordkurs, das geht besser. Der Wind nimmt ganz sachte zu.
Navigationsbesprechung. Wir beschließen, am Nachmittag mit Gennaker nach NO fahren. In der Nacht bei S Raumwindkurs in Richtung ONO, zum 40. Breitengrad hin. Dort sieht es in den Vorhersagen immer segelbar aus. Der Gennaker wird um 14:00 Uhr gesetzt. Mit der Zeit wird es besser und wir kommen damit 24 sm weiter. Von blauem Himmel mit Sonnenschein änderte sich das Wetter in kurzer Zeit auf völlig bedeckt. Aber die Wolken haben uns Wind mitgebracht.
Abends besegeln wir die Yacht für die Nacht wieder normal. Interessanterweise ist auch dafür genug Wind. Helga justiert den Windpiloten. Bald kommt uns ein Schiff entgegen und es bedarf einer Ausweichmaßnahme. In diesem Fall ist die einfachste und sicherste Möglichkeit das Anluven. Nun fahren wir parallele Kurse und ein Zusammenstoß ist unmöglich. Bald ist der Große querab und wir können wieder abfallen. Wir haben großes Glück mit dem Wind in der Nacht, vor allem wenn man an den zähen, gestrigen Tag denkt.
2.6.
Die Nachtwachen verlaufen ruhig und problemlos. Auch dank des konstanten Windes. Wir sind hier über dem 40. Breitengrad und können das Hoch nördlich umfahren. Schon um 03:00 Uhr Bordzeit sieht man helle Streifen am Horizont. Es sind noch 611 sm nach Flores und wir sind schon im Azorenstrom. Das Boot ist triefnass vom Tau. Schon Abends werden hier alle Holzoberflächen feucht und die Feuchtigkeit ist auch im Schiff zu spüren. Der Morgen ist wie der Abend zuvor grau und farblos, geschlossene Wolkendecke.
Um 07:27 Uhr höre ich ein Knall. Der Rodkicker ist samt Beschlag vom Mast gefallen! Alle zehn Nieten der unteren Befestigungsplatte sind gebrochen. Ich demontiere das Bauteil durch Ziehen des Bolzens. Die Baumnock kann ich über den Spibeschlag mit einer Leine nach unten ziehen, um den Baum niederzuhalten und den Lümmelbeschlag zu entlasten. Die Leine belege ich an der gegenüberliegenden Klampe. Ich kann alle gebrochenen Nieten ausbohren oder austreiben und die Gegenplatte im Mast mit Draht sichern. Schon ist alles wieder fertig zum Annieten. Fragt sich bloß, wo ich nun die passenden Monelniete mit 6,4 mm Durchmesser und eine Nietzange herbekomme.

3.6
Nach dem Frühstück haben wir wieder auf Gennaker umgerüstet. Leichte Windzunahme am mittleren Vormittag. Speed nur um die 4 kn, der Wind bleibt unter 5m/s. Nachmittags etwas besser. Wir sind voll im Blauen und können von 06:40 bis 19:00 Uhr mit den Gennaker nur 54 sm machen.
Abends leider keine Windauffrischung. Wir werfen den Diesel an. Nachtfahrt unter Maschine und Autopilot. Dieser ziert sich, und springt manchmal auf Standby. Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sehen fast gleich aus.
4.6.
Frühmorgens steigt die Venus aus dem Horizont und strahlt so stark, dass man meinen könnte, ein nahes Schiff zu sehen. Bald danach bricht der Morgen an und es dämmert am Horizont. Ich trinke Kaffee und lese Nachrichten am Handy. Plötzlich sehe ich neben uns einen rostigen Fischtrawler. Natürlich hätte ich rundum blicken sollen! Dass die Berufsfischer ihr AIS ausschalten, um ihre Position, also die Fanggebiete zu verschleiern, ist einerseits ja verständlich. Aus Sicherheitsgründen sollte dessen ständiger Betrieb aber für alle verpflichtend sein, meinen wir. Kurz danach sichte ich einen Katamaran unter Maschine und Segeln, ebenfalls ohne AIS. Ein sehr teures Boot, aber offensichtlich wurde bei der Sicherheit gespart. Wir setzen unsere Segel, der leichte Wind unterstützt die Fahrt und Helga kann die Drehzahl reduzieren.
Von hinten kommt nun MAERSK CHICAGO mit 17,2 kn auf uns zu. Wir gehen auf Ostkurs. Das ist etwa parallel zum Kurs des Containerschiffs, und schalten die Maschine aus. Erfreulicherweise geht es schon zum Segeln. Wir rüsten auf Gennaker/Großsegel um. Das ist die ideale Konfiguration. Mittags sind 4-5 m/s Wind und das Boot läuft locker mehr als 6 kn auf Halbwindkurs. Der ist etwa 100° COG und das passt. Es ist besser als erwartet, Sonne, wenig Welle, perfekt! Helga bäckt Brot. Wir schlafen abwechselnd etwas.
5.6.
Helga hat in der Nacht Schwierigkeiten mit einem Großschiff. Sie verlangsamt CARA MIA trotz gutem Wind. Im Morgengrauen setzen wir den Gennaker, es ist 04:00 Uhr Bordzeit. Damit können wir Direktkurs nach Flores anlegen. Zumindest eine Zeitlang. Wir sichten Wale, ganz nah.
MAYS in Horta sagt mir per E-Mail die Reparatur des Rodkickers zu. Bedeckter Himmel, grau und farblos. Für die Nachtfahrt haben wir die Fock ausgebaumt. Als Helga sieht, dass damit nur 3 kn drin sind ist sie etwas unrund. Ein bessere Lösung hat sie aber auch nicht. also bleiben wir dabei.

6.6.
Um 05:10 Uhr muss ich entscheiden, ob ich vor oder nach dem Tanker BOW PERSISTENT durchfahren will. Sicherer scheint abfallen auf 125° zu sein. Das ergibt aber nur einen schlechten Sicherheitsabstand und ist zu gefährlich. Stattdessen luve ich an, hole den Gennaker dichter und fahre dem Großschiff auf einem parallelen Kurs entgegen. Wir laufen nun 76° mit fast 5 kn, mehr als eine Stunde lang. Es ist diesig und der Himmel ist bedeckt. Erst als das Schiff auf 7,8 sm nahe ist, kann ich es erkennen. Kurz vor 08:00 Uhr ist es durch und ich kann zunehmend abfallen. Helga übernimmt ab 09:00 Uhr. Ich muss schlafen. Nun ist etwas Sonne aber nur sehr schwacher Wind. Wir machen nur kaum mehr als 3 kn Fahrt. Entfernung nach Flores 185 sm. Nachmittags wird es für einige Stunden etwas besser, um 16:00 Uhr Entfernung bis Flores nun 167 sm.
Gegen Abend sind plötzlich riesige Finnwale direkt hinter und neben dem Boot! Sie müssen doppelt so lang sein, wie unser Boot. Einige Male tauchen sie vielleicht 15 m neben CARA MIA auf. Die helle Zeichnung am Kopf ist deutlich zu sehen. Sehr eindrucksvoll!
Um 19:40 Uhr fällt die Fock herunter. Das Vorsegel rutscht aus der Keep und größtenteils ins Wasser. Ich berge das Segel, wir falten es provisorisch und sichern es an der Reling. Ich sehe keinen Schaden am Segelkopf. Offenbar hat sich der Schäkel gelöst, eventuell durch Einwirkung des Bergeschlauchs des Gennakers. Doch der Furlerkopf mit dem Fockfall ist und bleibt vorest im Masttop.
Problemlose Nachtfahrt. Die Sturmfock kann mit dem Spifall als Ersatz gesetzt werden. Der Wind ist ausreichend kräftig und der Windpilot kann den Kurs sehr gut fahren. Das ist sehr angenehm.

7.6.
Als es hell wird, fotografiere ich ins Masttopp. Der offene Schäkel ist klar erkennbar. Fragt sich bloß, wie der sich öffnen konnte. 3593 Seemeilen sind wir gefahren, seit ich ihn in Trinidad geschlossen habe.
Der angesagte N-Wind ist da. Das Boot läuft nun hervorragend und kann auch mit der nur 7 m2 großen Sturmfock gute Geschwindigkeiten erzielen. Wahrscheinlich werden wir ohnehin die Segel reduzieren müssen, um nicht schon im Dunkeln anzukommen. Wir freuen uns, das letzte Stück nicht unter Maschine fahren zu müssen, ein würdiger Abschluss einer langen Passage. Wir reffen wegen der noch verbleibenden Zeit. Der Wind hat auf NE gedreht. Wenn er einschläft kommt der Diesel zum Einsatz. Die Batteriebank weist nur mehr 37 % Ladung auf und im Hafen wird kein Landstrom verfügbar sein. Alleine deswegen ist der Motoreinsatz günstig.

8.6.
Die Nachtwachen werden mit fortschreitender Fahrtdauer immer zäher. Wir fahren ab 02:00 Uhr zu zweit. Es ist sehr feucht und klamm auf dem Atlantik. Sogar im Inneren des Schiffs fühlen sich Textilien und Kleidung feucht an. Nach der Dämmerung regnet es etwas, dann erscheint schemenhaft Land unter den kompakten Wolken voraus. Wir kommen langsam näher. Wir sehen die schöne Westküste von Flores mit den abgegrenzten Feldern und hoch gelegenen Ansiedlungen. Die Südküste hingegen ist steil, mit Moosen und Flechten bewachsen und zeigt eine feine Farbigkeit. Der Hafen ist von den Zerstörungen durch den Hurricane Lorenzo 2019 noch immer nicht instand gesetzt. Die Schwimmstege liegen an Land. Wir bekommen keinen Platz und müssen ankern.
Wir trinken ein Bierchen und stoßen auf die Reise an. Dann fahren wir mit den Dinghy in den Hafen. Aussteigen kann man nur über eine Leiter, einen Hafenmeister finden wir nicht. Wir erkunden Lajes das Flores, trinken Kaffee und reservieren für das Abendessen.
Auf den Azoren ist man zwar noch mitten im Atlantik, aber CARA MIA hat uns in 16 Tagen und 21 Stunden wieder nach Europa gebracht. Der Törn war 1949 Seemeilen lang.
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